Billig Sets auf Amazon & Co- was steckt dahinter?

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Bienenwachs zum Discount-Preis – wie kann das sein?
Auf Plattformen wie Amazon werden Bastelsets zum Selberdrehen von Bienenwachskerzen zu erstaunlich niedrigen Preisen angeboten. Die Sets sind bunt, bestehen aus vielen Wabenplatten, Dochten, Förmchen – und kosten oft weniger als echtes Bienenwachs im Einkauf. Das hat uns stutzig gemacht: Wie können solche Preise möglich sein, wenn Bienenwachs ein knappes Naturprodukt ist? Also haben wir selbst ein Set der Marke „Zakouninn“ gekauft und genau angesehen.

Schon beim Öffnen kam uns ein deutlich chemischer Geruch entgegen. Mit dem warmen, leicht süßen Duft von echtem Bienenwachs hatte das wenig zu tun. Auch der starke Glanz der Platten passte nicht – Bienenwachs ist von Natur aus eher matt. Die Haptik war ebenfalls merkwürdig: steifer, brüchiger und irgendwie „plastikartig“.
Unser Test – wir wollten es genau wissen
Da hier etwas nicht stimmen konnte, haben wir das Produkt ins Labor geschickt, um die Reinheit prüfen zu lassen. Getestet wurde mit anerkannten Methoden:
- Stearin-Test: zeigt, ob Fremdfettsäuren zugesetzt wurden
- Paraffin-Test: weist künstliche Kohlenwasserstoffe nach
- Gemessen wird per GC-FID (Gaschromatographie)
Auf der Produktseite der Amazon-ASIN B0BJP4CP7C (Stand 18.11.2025) heißt es zu dem Produkt: „Es handelt sich um hochwertige Bienenwachsstücke, die völlig frei von Paraffin und schädlichen Chemikalien sind.“

Diese Werte widersprechen den Angaben auf der Produktdetailseite deutlich. Nach RAL-Richtlinie müsste ein solcher Bienenwachsanteil transparent angegeben werden – hier ist das nicht der Fall.
Wir haben Amazon über das offizielle Formular informiert, inklusive Prüfbericht und Screenshots der Werbeaussagen. Wie Amazon darauf reagiert hat? Mehr dazu weiter unten.
Ein Einzelfall?
Natürlich wollten wir dieses eine Ergebnis nicht verallgemeinern. Es gibt immer schwarze Schafe – aber die Preisgestaltung vieler ähnlicher Produkte machte uns neugierig. Also haben wir insgesamt 15 Produkte bestellt: bunte Bastelsets, einfache gelbe Wabenplatten und auch fertig gedrehte Kerzen.

Für maximale Transparenz haben wir jede Lieferung fotografiert, alle Werbeaussagen dokumentiert, Rechnungen abgeheftet und die Proben jeweils im 4-Augen-Prinzip verpackt ins Labor geschickt. Die Untersuchung erfolgte nach exakt denselben Methoden wie zuvor beim Zakouinn-Set.
80 % der getesteten Produkte enthalten kein reines Bienenwachs
Das Ergebnis war überraschend klar. Von den 15 getesteten Produkten enthielten:
- 2 Produkte → 99 % Bienenwachs (authentisch)
- 1 Produkt → 96,5 % Bienenwachs (gerade noch akzeptabel bei Farbwachs)
- 1 Produkt → 87% Bienenwachs (Bienenwachs, aber verfälscht)
- 12 Produkte → nur 29 % bis 51 % Bienenwachs (Kein Bienenwachs)

Warum ist das für alle relevant?
Zum einen möchte niemand getäuscht werden – wer Bienenwachs kauft, möchte schließlich auch Bienenwachs bekommen und nicht eine unbekannte Mischung aus Paraffin und Fremdstoffen.
Aber es geht noch weiter:
- Paraffin ist extrem billig, verbrennt heißer und rußt stärker.
- Unbekannte Zusatzstoffe können beim Erhitzen Schadstoffe freisetzen.
- Viele Bastelsets sind für Kinder gedacht – ein Risiko, das niemand eingehen möchte.
- Falschangaben sind eine klare Verbrauchertäuschung.
Man kauft guten Gewissens ein Naturprodukt – und bekommt etwas völlig anderes. Das ist nicht nur enttäuschend, sondern schlicht unfair gegenüber allen, die bewusst sicher und nachhaltig einkaufen möchten.

Wie reagiert Amazon?
Kurz gesagt: gar nicht.
Obwohl wir die betroffenen Produkte offiziell gemeldet haben – inklusive Prüfberichten, Screenshots und einer klaren Darstellung der Abweichungen – hat Amazon bislang nicht reagiert. Die Produkte sind weiterhin verfügbar (Stand: 18.11.2025) und werden jeden Tag neu gekauft.
Das ist problematisch, weil Amazon für viele Menschen die wichtigste Einkaufsplattform ist. Käufer verlassen sich darauf, dass zumindest grundlegende Angaben wie „100 % Bienenwachs“ stimmen. Wenn jedoch offenbar falsche Produktversprechen einfach online bleiben, untergräbt das langfristig das Vertrauen in den Marktplatz.
Niemand erwartet von Amazon, jede Kerze selbst zu prüfen – aber bei Hinweisen auf massive Abweichungen sollte zumindest eine Überprüfung oder Rückfrage beim Händler erfolgen.
Wie geht es jetzt weiter?
Was als kleiner Neugierkauf begann, hat sich als größeres Problem entpuppt: eine systematische Irreführung von Kunden – und offenbar kaum wirksame Kontrollmechanismen.
Wir werden jetzt:
- Ein Produkt zusätzlich auf Schadstoffe prüfen lassen, um auszuschließen, dass neben falschen Angaben auch gesundheitliche Risiken bestehen.
- Darauf drängen, dass irreführende Produktbeschreibungen korrigiert werden. Eine ehrliche Angabe wie „Wabenplatten mit 30 % Bienenwachsanteil“ wäre völlig unproblematisch.
- Einen weiteren Blogbeitrag veröffentlichen, in dem wir zeigen, wie man als Laie echte und falsche Bienenwachsplatten gut unterscheiden kann.
